Archiv für den Monat März 2013

Swing & Tango 1 – Roaring Twenties

In der folgenden Reihe möchte ich in mehreren Teilen Swing und Tango aus einer gemeinsamen Perspektive beleuchten. Swing hat mein Interesse geweckt, da viele Swing-Tänzer/innen, wie beim Tango, viel Wert auf Improvisation und Musikalität legen. Auch die Auswahl an anspruchsvoller und reichhaltiger Tanzmusik ist ähnlich groß wie beim Tango, da Swing zu Jazz-Musik aus den 20er, 30er und 40er getanzt wird. Die erste Gemeinsamkeit mit Tango ist somit der zeitliche Rahmen.

Entstehungsgeschichte 1900-1920

Jazz und Tango haben ursprünglich gar nichts mit der gut-bürgerlichen Gesellschaft zu tun sondern eher mit Vergnügungsvierteln zu tun. Im Tango redet man von La Boca in Buneos Aires als Entstehungsort, im Jazz nennt man Storyville in New Orleans. Dort konnte man in der Entstehungszeit von ca. 1900 bis 1917 vielleicht auch schon die ersten Tangos hören, da Tango nach seiner Entstehungszeit von ca. 1880 und schon 1910 auch schon international bekannt wurde. Gespielt wurde Jazz und Tango zuerst von Leuten aus der Unterschicht, die keine professionelle musikalische Ausbildung hatten. Ein gutes und bekanntes Beispiel ist Louis Armstrong der sich selbst Trompeten spielen beibrachte und als Kind schon arbeiten musste. Von den komplizierten Arrangements und den ausgefeilten Klang der großen Orchester der 30er und 40er sind beide Jazz und Tango noch recht weit entfernt. Die kleinen Bands wie die Original Dixieland Jass Band bestand auch nur aus 5 Musiker. Ein Beispiel von dieser Band von Anfang der 20er Jahre:

Auch die Tango-Orchester sind mit 6 Leuten wie das Orquesta Típica Criolla Vicente Greco noch klein:

Aber in Buenos Aires wird in dieser Zeit nicht nur Tango gespielt. Auch später berühmte Leiter von Tango-Orchestern spielen Jazz. Wie das Francisco Canaro Jazz Band mit dem Titel: „Si, si es mi nena“ von 1926:

Oder ein Shimmy „Promesse“ von Roberto Firpo Jazz Band von 1926:

Oder noch eine Tango-Größe „Adolfo Carabelli y su orquesta“ mit dem Titel „Japonesita“:

Adolfo Carabelli y su orquesta – Japonesita

Auch Carlos Gardel war wahrscheinlich nicht nur von den blonden Frauen aus New York inspiriert als er diesen Lied sang: „Rubias de New York“ Auch die Musik aus Nordamerika hat diesen Foxtrott inspiriert.

Einige Foxtrotts von Enrique Rodriguez erfreuen sich bis heute in der Tango-Szene einer großer Popularität. Zum einem „La Colegiala“:

Oder auch den berühmten Jazz-Standard „Bei mir bist du scheen“. Bei diesen Lied handelt es sich um einen Jiddisch Text, deswegen ist „scheen“ kein Schreibfehler. Die Foxtrott-Version von Tango Orchester Enrique Rodriguez heißt „Para mi eres divina“:

Von „Bei mir bist du scheen“ gibt es viele unterschiedliche Versionen. Hier nun eine typische Swing-Version. Die Tänzer tanzen Lindy Hop. Ein Tanz aus den 30er und 40er Jahre, der gleichzeitig durch seine Leichtigkeit und seine Sportlichkeit überzeugt. Er bildet zusammen mit Charleston eine der Haupttänze der heutigen Swing-Szene.

Charleston – Roaring Twenties

Im Gegensatz zum Tango verlässt der Jazz seinen eigentlichen Geburtsort recht schnell und wird in der ganzen USA gespielt. Anfang der 20er Jahre gilt erst Chicago und dann später New York als neue Metropole des Jazz. Die Musik und der Tanzstil ist wild und ungezwungen. Im Tango stand von Anfang an die tänzerische Interaktion der Tanzpartner im Mittelpunkt. So stellte beim Tango nicht so sehr die Musik einen Skandal in konservativen Kreisen im frühen 20. Jahrhundert dar, sondern die körperliche Nähe. Beim Jazz war allein schon die Musik ein Skandal, die viel stärker als beim Tango von afrikanischen Rhythmen geprägt ist. Auch der dazugehörige Tanzstil ist viel stärker durch Afrika beeinflusst, da die Afroamerikaner in den USA für die Entwicklung von Tanz und Musik vor allem in der Anfangszeit maßgeblich waren. Zwar wurden und werden auch afrikanische Traditionen häufig im Tango rezittiert. Am deutlichsten sind diese Zitate in der Candombe. Im folgenden Video „Candombe“ von Francisco Canaro wird deutlich wie die Weißen sich vorstellten, wie die Schwarzen singen und tanzen. Die ganze Darbietung erinnert durch die schwarz geschminkten Tänzer an Blackface-Traditionen aus der USA. Ich hoffe das in dieser Show nicht die Abwertung sondern die Faszination der schwarzen Kultur im Vordergrund stand.

Exotik spielte auch im Jazz eine wichtige Rolle zum Erfolg. So wurde im Cottom Club durch die Einrichtung und die Kostüme bewusst das Klischee von „wilden Negersklaven“ aus den Südstaaten reproduziert.  Schwarze waren aber nur als Musiker und Tänzer willkommen und nicht als Gäste. Trotzdem traten dort die besten Künstler der Zeit auf, wie Duke Ellington:

Je mehr Tango seine afrikanische Einflüsse, wie bei Milonga oder Candombe, betont, um so mehr verschwindet die Grenze zwischen Tango und Swing. So lassen sich die Bewegungen und Figuren aus Charleston auch gut zu Milonga tanzen. Tänzerisch erinnert das das Candombe-Video überhaupt nicht am Tango sondern eher an Josephine Baker, der Ikone des Charleston in den 20er Jahren:


Berühmt ist sie vollen durch den Tanz im Bananen-Rock. Erotische Wirkung nicht durch körperliche Nähe wie im Tango, sondern durch Hüftschwung und Ausdruck erzeugt. Josephine Baker ist bis heute Inspiration von Charleston-Tänzer und vor allem auch von Burlesque-Tänzerinnen wie Sharon Davis und Sweet Chili

Josephine Baker hat den Tanzstil der 20er Jahre, Charleston, mit viel Erotik verbunden. Jedoch wurde dieser wilde und ungezwungene Tanzstil in vielen unterschiedlichen Ausformungen getanzt. Mit den Füßen wird kick und mit die Händen werden durch die Luft gewirbelt. Erlaub ist was Spaß mach und zur Musik passt:

Hier das Lied, Chaleston vom Pual Whiteman Orchester, das dem Tanz seinen Namen gabt mit ein paar grundlegenden Schritten:

Auch wenn es sicherlich auch andere Tänze  zu dieser Zeit gibt bildet er die Grundlage und Inspiration aller weiteren Swing-Tänze die danach kommen. Hier einige grundlegende Schritte zum Mittanzen.

Charleston war zuerst ein Solo-Tanz, der später auch zu zweit getanzt wurde. Im Gegensatz zu Tango, der nur als Paar-Tanz vorstellbar ist, wechselt man teilweise bei Swing-Tänzen zwischen Solo- und Paar-Tanz hin und her. Viele Bewegungen, die sogenannten Moves sind daher auch einzeln tanzbar und übbar.  Dies eröffnet den Tanzpaaren neue tänzerische Ausdrückmöglichkeiten! So kann der Führende einen Break oder einen drastischen Wechseln in der Musik da zu nützen ein Solo einzulegen. Im Solotanz erfolgt die tänzerische Kommunikation durch „Empathy“. Ich finde dies ein sehr schönes Konzept im Swing-Tanz. Anstelle einer direkten Führung tritt wörtlich übersetzt, die Bereitschaft sich einzufühlen! Das bedeutet ein Partner macht eine Bewegung vor und das Gegenüber (Leader oder Follower, im Swing spricht man meistens nicht von Mann oder Frau oder Führender und Folgende und benutzt gleich die englischen Begriffe) ahmt sie nach oder ergänzt diese Bewegung sinnvoll.