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Meine Gedanken zu Tango-Büchern

Rezension: Tango – Zur Musik tanzen!

Wer wie ich, von Oberflächlichkeit von Musikalitätsworkshops von diversen Tangolehrern enttäuscht wurde, den kann ich dieses Buch empfehlen. Denn das Buch steigt tiefer und systematischer in die Tangomusik ein, als ich es bis jetzt erlebt hatte. Anhand von Musikbeispielen, auf der mitgelieferten CD, erklärt, der Musiker Joaquín Amenábar anschaulich die Merkmale und die Struktur des Tangos.

Zu diesen Buchtitel fällt mir eine Anekdote ein: Es war einmal auf einer kleinen Milonga irgendwo in Deutschland. Ich kam mit einer holden Maid ins Gespräch, die hinter der Bar stand. Voller Zweifel fragte die Barkeeperin mich: „Kommt es wir nur so vor oder tanzen die alle nicht im Takt?“ Nach einem kurzen Augenblick des Zögerns und des prüfenden Blickes erwiderte ich: „Die Hälfte tanzt doch im Takt. Das ist doch eine gute Quote.“

Der tapfere Ritter, der Tango lernt, hat am meisten mit zwei Ungeheuern, der Führung und der Musik, zu kämpfen. Einige Tanzlehrer haben für die Führung ein gutes didaktisches Angebot. Methoden um Musikalität zu unterrichten sind dagegen noch Mangelware. Genau diese Lücke will dieses Buch schließen. Anhand von Hörbeispielen auf CD erklärt es fundiert die Grundlagen wie Melodie und Rhythmus bis hin zum Analyse der komplexen Phasenstruktur von Tangos. Das Buch erläutert auch komplexere Rhythmen die im Tango vorkommen, wie Synkopen oder den 3-3-2 Rhythmus und eignet sich des wegen auch für den erfahren Tänzer.

Das Buch löst sich dabei von der üblichen Unterscheidung der Musik nach Orchestern, sondern zeigt unterschiedliche musikalische Mittel auf, die diese Orchester üblicher Weise benutzen. Mache großen Orchester wirkten über mehrere  Jahrzehnten hin weg und setzten in dieser Zeit sehr unterschiedliche Mittel ein. So wirkt Canaro in den 30er sehr rhythmisch und in den 50er dagegen sehr dramatisch. Diese Merkmale der Musik werden nicht theoretisch erklärt, sondern durch konkrete Musikbeispiele auf der CD erlebbar gemacht werden.

Bewusst wird bei den beigefügten Videos auch auf komplexe Schritte völlig verzichtet. Der Fokus des Buch liegt ganz auf dem Laufen zur Musik, zuerst alleine und dann, wenn man den Rhythmus im Blut hat, dann auch zu Zweit. Der Reiz des Buches liegt darin, das es uns auf komplexere Rhythmen im Tango aufmerksam macht und im Tangero den Ehrgeiz weckt nicht nur zum Grundschlag sondern auch zur Melodie, Synkope, 3-3-3 Rhythmus oder Off-Beat zu tanzen.

Besser wie das Buch ist nur noch die Workshop von Joaquín Amenábar:

3. Tango-Seminar mit Joaquín Amenábar „Tanzen mit der Musik“ Stuttgart, 19. und 20. Januar, 2013

Rezension: Der große Milonga-Führer

Fazit: Als Denk- und Streitschrift über soziale Beziehungen im Tango sehr unterhaltsam und anregend vor allem für „alte Tango-Hasen“.

Der Führer führt nicht durch konkrete Milongas, wie man bei diesen Titel vermuten würde. Den Titel dieses Buches, sollte der gemeine Tanguero/a  deswegen nicht so ernst Titel nehmen, genau wie diese Rezension.

Der Verfasser, Gehard Riedl, hat als „streuender Hund“, der von  Milonga zu Milonga zieht viele unterschiedliche Lebensraume des gemeinen Tangueros kennen gelernt. Seine Erfahrungen mit dem „Homo tangoies“ hat er dabei in eine soziologischen Abhandlung über den „Lebensraum“-Tango gepackt, die der mit lesenswerten Anekdoten belegt. So beschreibt eingehend „das Biotop – Milonga“ auf dem sich so viele unterschiedliche  „Lebensformen“ tummeln, die sich in unterschiedliche Klassen einteilen lassen, von der „Karate-Tanguera“ bis hin zum „gemeinen Figurenverdreher“.

Zu dem gibt das Buch Hilfestellung bei der Wahl des richtigen „Tango-Biotops“ auch Milonga genannt oder zu Wahl des richtigen Tango-Kurses. Dabei wird eingehend, auf ironische Weise, die Schwächen und Fehler der „Tango-Platzhirsche“ (Tanzlehrer, Veranstalter & DJ) anschaulich beschrieben. Auf Objektivität wird dabei bewusst und großzügig verzichtet. Da es sehr amüsant ist sollte am dem Autor die Narrenfreiheit lassen.

Mit besonderen Vergnügen habe ich auch die Kapitel über „bilaterale Krisen“ gelesen. Dort werden Themen behandelt, wie „Tango im Paarzwang“ oder „Die Erotik-Phase“. Dabei wird Licht in das Dunkel des Paarungsverhalten des noch geschlechtsreifen Tangeros/as gebracht. Vielleicht sollte ich meine Interesse an diesen Thema weniger durch Tanzen sondern mal durch die Lektüre von Tango und Gender befriedigen. Ist aber leider vergriffen!

Aber jetzt zurück zu dieser Lektüre. Ließt der gemeine Tangero/a diese  Naturbeschreibung des Tangos mit viel selbst Ironie, dann wird er einige Lebewesen, Biotope und Verhaltensweise in seiner persönlichen Tango-Universum wieder finden und herzlich darüber lachen können. Nimmt gemeine Tangero/a oder die Tango-Platzhirsche (Tanzlehrer, Veranstalter & DJ) das Buch jedoch tot ernst, so verwandelt er sich zum Compadrito der den Autor zum Duell fordern möchte. Auch ich stimme mit vielen Thesen im Buch nicht über ein, aber ich betrachte es als wertvolle und humorvolle Streitschrift neu über Tango nachzudenken.

Durch die Lektüre dieses Buches ist mir wieder eines völlig klar geworden: Jeder muss seinen eigenen Weg zum Tango finden. Es gibt keinen objektiven Weg der für alle richtig oder falsch ist.  Gehard Riedl hat seinen Weg zum Tango gefunden und in diesen Buch niedergeschrieben. Im Großen und Ganzen habe ich auch meinen Weg zur Welt es Tangos gefunden und werde ihn in diesen Blog beschreiben. Auch viele andere Tangueros/as entwickeln ihren eigenen Stil und ganz eigne Einstellung zum Tanzen. Genau diese Personifizierung des Tangos, mach den Reiz aus. Würde man mit Robotern tanzen die alle gleich reagieren würden, dann würde man schnell die Lust verlieren und sich nach Menschen mit Charakter sehen, vielleicht nach einer „Karate-Tanguera“ oder einem „gemeinen Figurenverdreher“. Mann sollte es nicht übertreiben, aber eine leichte Abweichung von der Tango-Norm wird von mancher Tanzpartnerin geschätzt.